Jeder von uns kennt einen: Den Versicherungsvertreter. Früher kam er regelmässig nach Hause, beriet seine Kunden vor Ort oder in der eigenen Agentur um die Ecke. So war es früher. Aber nicht nur der stationäre Einzelhandel hat Probleme, auch der klassische Versicherungsvertrieb; die Anzahl der Vermittler geht schon seit Jahren zurück. Ist der Versicherungsvertreter eine aussterbende Spezies?
Die Zahlen sind deutlich: Die Anzahl der gebundenen Versicherungsvertreter geht seit Jahren kontinuierlich zurück. Innerhalb von nur acht Jahren sank die Zahl von 182.224 (2011) auf 119.978 (Mitte 2019) - das entspricht einem Rückgang von 34%. Der Schwund ist dramatisch - aber was sind die Gründe hierfür? Wird der Versicherungsvermittler nicht mehr gebraucht?
Gründe sind vielfältig
Den einen Grund für den Rückgang gibt es nicht - es sind viele. Einer davon ist beispielsweise, dass der Nachwuchs fehlt. Die Branche hat ein Imageproblem - gilt als verstaubt und unehrlich. Zahlreiche Vermittler gehen in den Ruhestand und haben deshalb keinen Nachfolger.
Ein weitere Grund: In den vergangenen Jahren hat der Gesetzgeber die Ansprüche an den Vermittler hochgeschraubt: Der Vermittler muss seine Sachkunde nachweisen und sich bei der IHK registrieren lassen. Das bedeutete das Aus für einen großen Teil der nebenberuflichen Feierabendvermittler.
Dazu kommt: Das bisherige Vertriebsmodell der meisten Versicherer setzt(e) auf den eigenen Außendienst. Diese Vertriebsmethode ist aber teuer: Eine große Zahl an Mitarbeitern bedeutet auch, dass die geschult werden müssen. Man braucht Verkaufsmaterial, Agenturbüros usw.
Im Zeitalter der Digitalisierung ist das meiner Meinung nach nicht mehr zeitgemäß - der Kunde von heute ist nicht mehr der Kunde von heute oder morgen.
Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit
Insbesondere Einfirmenvertreter dürften es heute schwerer haben, als früher: Der Kunde kann im Internet mit einem Mausklick die gängigsten Angebote vergleichen. Liegt man mit dem eigenen Angebot deutlich drüber und hat wenig bis keine Rabattmöglichkeiten und hat sonst keine überzeugenden Argumente, ist man draußen.
Darüber hinaus wollen auch viele Kunden nicht mehr, dass ein Vertreter bzw. Vermittler zu ihnen nach Hause kommt. Wer keine Onlineberatung anbieten kann und kein eigenes Büro hat, ist auch hier: draußen.
Stirbt der Versicherungsvertreter aus?
Die Anzahl - insbesondere der gebundenen Vertreter - wird weiter zurückgehen. Das soll aber nicht bedeuten, dass kein Bedarf an Beratung durch Versicherungsvertreter bzw. Vermittlern besteht. Die wird es weiter geben. Allerdings ändert sich zum einen der Anspruch an die Beratung und zum anderen auch der Zugang zu Kunden. Beratungen sind mittlerweile online möglich - man hat den Kunden nie selber gesehen. Auch die Kommunikation ändert sich: Früher war das Telefon der einzige Zugangsweg; heute sind es E-Mail und Messengerdienste. Und wer hier seine Arbeitsweise nicht ändern kann oder darf, verliert über kurz oder lang den Anschluss.
Hier wird auch interessant sein zu sehen, welcher Versicherer hier mitgehen kann; für das ein oder andere konservative Unternehmen sind Internet, soziale Medien und Onlineberatung eine neue Welt, mit der sie nicht umgehen können. Auch hier gilt: Wer hier nicht dabei ist, den gibt es am Ende vielleicht gar nicht mehr.
Fazit: Die Zahl der Versicherungsvermittler sinkt. Die Gründe dafür sind vielfältig und zum Teil hausgemacht. Überleben wird nur derjenige, der Veränderungen in der Branche erkennt und diesen Weg mitgeht.