Viele Versicherungskunden sind verunsichert: Mittlerweile kommt es immer häufiger vor, dass der Anbieter, bei dem sie ihre Lebens- oder privater Rentenversicherung verkauft wird und in den sogenannten "Run Off" geschickt wird, was soviel bedeutet, dass das Neugeschäft eingestellt wird und nur noch die vorhandenen Verträge verwaltet werden. Oftmals ist auch ein Namenswechsel des Vertragspartners damit verbunden. Viele Kunden reagieren verärgert und denken auch daran, ihren Vertrag zu kündigen. In diesem Beitrag erkläre ich, was ein Run Off eigentlich ist und welches Ziel die Verkäufer der Versicherungsbestände damit verfolgen.
Niedrigzinsphase
Jeder Verbraucher dürfte es mitbekommen haben: Wir befinden uns schon seit einigen Jahren in einem Niedrigzinsumfeld. Grund dafür ist u.a. die Finanzkrise von 2008. Damals senkten die Europäische Zentralbank und viele weitere Zentralbanken die Leitzinsen. Weitere Maßnahmen waren der Ankauf von Wertpapieren und die Einführung von negativen Einlagzinsen für Banken. Daraus folgte das Niedrigzinsumfeld und als weitere Folge das Absinken von Renditen zinsabhängiger Anlagen wie festverzinslichen Wertpapieren.
"Sichere Anlageformen" wie festverzinsliche Wertpapiere waren allerdings Hauptbestandteil vieler Kapitalanlagestrategien der Lebensversicherer die mit zunehmender Dauer der Niedrigzinsphase Probleme hatten, überhaupt ihren Garantieverpflichtungen nachzukommen. Insbesondere Altverträge mit hohen Garantiezinsen - immerhin lag 2002 der Garantiezins noch bei 3,25% (2020: 0,9%) - sorgen hier für Probleme und eine sinkende Profitabilität.
Lösung: Einstellung des Neugeschäfts bzw. "Run Off"
Da die oben beschriebenen Probleme nicht abnehmen sondern in den nächsten Jahren eher größer werden, u.a. dadurch, dass viele hochverzinste Wertpapiere auslaufen, diese aber nicht annähernd gleich ersetzt werden können, suchen die Versicherungsgesellschaften nach Lösungen.
Viele Anbieter kommen hier zu dem Schluss, dass eine Einstellung des Neugeschäftes (es werden keine neuen Anträge mehr angenommen) die sinnvollste Lösung ist. Hierbei gibt es zwei Möglichkeiten:
- den internen Run Off
- den externen Run Off
Beim internen Run Off wird einfach die Zeichnung des Neugeschäftes eingestellt - die Verträge bleiben im Unternehmen; der Kunde und die Öffentlichkeit bekommt davon wenig mit. Vorteil ist, dass das ganze still und heimlich passiert und man keine negative Presse oder gar einen Shit Storm heraufbeschwört. Der Nachteil dieser Variante ist allerdings, dass das Grundproblem der mangelnden Profitabilität und die Schwierigkeiten, den Garantiezins zu erzielen weiter bestehen.
Externer Run Off die bevorzugte Lösung
Vor allen Dingen der letzte Punkt bringt viele Versicherer dazu, Ihre Bestände oder sogar die ganze Lebensversicherungssparte zu verkaufen: Man möchte diese Risiken und Probleme nicht mehr im Unternehmen haben. Und an dieser Stelle kommen Unternehmen ins Spiel, die Viridium oder Athora heissen. Sie kaufen diese alten und von den Versicherungsgesellschaften ungeliebten Bestände auf und wickeln diese bis zum letzten Vertrag ab - das alte Versicherungsunternehmen hat dann mit diesen Verträgen nichts mehr zu tun.
Welche Run Offs gibt es in Deutschland aktuell ?
Den ersten Run Off gab es 2003, allerdings eher unfreiwillig: Die Mannheimer Lebensversicherung war in Schieflage geraten und mussten ihren Bestand an den Sicherungsfonds "Protektor" übertragen. 2017 wurde aus dem ehemaligen Mannheimer Leben-Bestand das Run Off "Entis"
Folgende Unternehmensgruppen sind im Bereich Run Off in Deutschland aktiv:
Viridium
Entis Lebensversicherung ( Mannheimer Lebensversicherung ) | 2003/2017 |
Heidelberger Lebensversicherung |
2014 |
Skandia Lebensversicherung AG |
2014 |
Proxalto Lebensversicherung (Generali Lebensversicherung ) |
2019 |
Athora
Die Athora Lebensversicherung besteht im wesentlichen aus der ehemaligen Delta Lloyd Deutschland, in welcher u.a. die Berlinische Lebensversicherung und die Hamburger Lebensversicherung aufging. 2015 wird die Delta Lloyd verkauft und firmiert seit 2018 als Athora Lebensversicherung AG.
Frankfurter Leben
Frankfurter Lebensversicherung AG (Basler LV AG - Direktion f. Deutschland | 2015 |
Frankfurt Münchener Lebensversicherung AG ( ARAG LV AG ) | 2017 |
Folgenden Versicherungsgesellschaften befindet sich im internen Run Off (Einstellung Neugeschäft bei eigener Verwaltung der Verträge :
Ergo Lebensversicherung AG | 2018 |
PLUS Lebensversicherung AG (Stuttgarter Gruppe) | 2009 |
Bayerische Beamten Lebensversicherung AG | 2010 |
Victoria Lebensversicherung AG | 2010 |
Vertragspartner wechselt, Garantien bleiben erhalten
Doch welche Folgen ergeben sich für den Kunden ? Zunächst erstmal keine, denn die ursprünglich versprochenen Garantien bleiben erhalten - der Vertrag wird ganz normal fortgeführt, auch die Überschussbeteiligungen laufen ganz normal weiter. Überwacht wird dies übrigens von der BAFIN - der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht.
Welche Risiken gibt es für den Kunden bei einem Run Off ?
Verbraucherschützer warnen bei jedem neuen Run Off, dass sich der Kundenservice verschlechtern könnte, wenn der Vertragspartner wechselt. Auch zweifelt man daran, dass auch alle Überschüsse korrekt an die Kunden ausgezahlt werden. Allerdings konnten diese Punkte bisher nicht nachgewiesen werden. Auch eine Studie des Deutschen Institutes für Altersvorsorge bestätigt diese Punkte nicht. Vielmehr kommt die Studie zu dem Schluss, dass die Stornoquote (Zahl der vor Vertragsablauf gekündigten Verträge ) bei Run Offs niedriger sei, als bei den "normalen" Versicherern. Allerdings sei auch die Verwaltungskostenquote höher als am Markt, was mutmaßlich mit dem erhöhten Aufwand der Integration der übernommenen Bestandsdaten zusammenhängt. Auch sei die Nettoverzinsung bei den Run Offs höher, als am Markt.
Welche Möglichkeiten hat man als Kunde, wenn man mit dem Verkauf des eigenen Vertrages nicht einverstanden ist ?
Widerspruch kann man als Kunde leider nicht einlegen - gegen den Verkauf des eigenen Vertrages kann man nicht vorgehen. Allerdings hat man Alternativen, wenn man den Vertrag nicht weiterführen möchte. Die schlechteste Lösung ist die Kündigung - Verluste sind praktisch garantiert.
Eine Alternative ist die Beitragsfreistellung - hierbei läuft der Vertrag weiter - man zahlt nur keine neuen Beiträge mehr ein. Darüber hinaus kann man unter gewissen Umständen seinen Vertrag an einen sogenannten Policenaufkäufer verkaufen - hierbei übernimmt der Aufkäufer den Vertrag und man bekommt etwas mehr, als der Rückkaufswert.